Das Finanzgericht Münster hatte zu entscheiden, ob ein Geschäftsführer, der sein Amt aufgrund rechtskräftiger Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung kraft Gesetzes verloren hat, aufgrund des Rechtsscheins des Handelsregisters in Haftung genommen werden kann (Az. 4 K 1158/20). Streitig war die Haftungsinanspruchnahme des Klägers u. a. wegen Umsatzsteuerrückständen einer GmbH.
Die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners sei zweigliedrig zu prüfen. Die Prüfung, ob in der Person oder den Personen, die es heranziehen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsvorschrift erfüllt sind, sei eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung (erste Stufe). Daran schließe sich die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung der Finanzbehörde an, ob und wen es als Haftenden in Anspruch nehmen will. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung sei gerichtlich nur auf Ermessensfehler überprüfbar. Nach § 102 Satz 1 FGO sei die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat und ob eine Ermessensüber- oder ‑unterschreitung oder ein Ermessensfehlgebrauch vorliegen.
Der Ermessensentscheidung sei im Streitfall der Boden entzogen, weil die Finanzbehörde das objektiv bestehende Auswahlermessen nicht erkannt habe. Die tatbestandliche Prüfung des konkreten Verursachungsbeitrags (Pflichtverletzung) des Klägers sowie seines Verschuldens im Rahmen des § 69 AO hätten ergeben, dass der Kläger nicht als aktiver Geschäftsführer tätig geworden sei, sondern lediglich als (vermeintlicher) Strohmann. Insofern wäre richtigerweise von einem Übernahmeverschulden auszugehen, weil der Kläger nach dem Erkenntnisstand des Gerichts von der tatsächlichen Geschäftsführung durch den faktischen Geschäftsführer ausgeschlossen war. Die Haftungsinanspruchnahme sei daher als rechtswidrig anzusehen.
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